Haben wir Geduld? Im Zeittakt von Covid19.

Ist Geduld Dummheit? Sind wir ‚geduldige Schafe’, wenn wir die Einschränkungen hinnehmen und unbekannte Regeln der Corona Zeit befolgen? Ist Geduld haben, duldsam sein, mit Gleichgültigkeit gleichzusetzen, weil wir ohne Macht und Wirksamkeit sind? Nein, Geduld ist mehr. Geduld brauchen wir im Erwerb von Fähigkeiten, sei es im Sport, Beruf oder in der Musik. Im Gegensatz zur Ausdauer, die mit Anstrengung und physischer Kraft verbunden ist und mit der Einteilung unserer Kräfte zu tun hat, ist Geduld eine Haltung, die mit Zeit verbunden ist.

Es ist leichter, sich über die Ungeduld der Geduld zu nähern. Ungeduldig sein ist dem Hasten ähnlich. Hastig durcheilen, das bedeutet, den Umständen, den Dingen keine Aufmerksamkeit schenken zu wollen oder zu können. Man ist schon beim Ergebnis, man kann nicht abwarten, alles was vom Ergebnis trennt soll schnell vorbei und überwunden sein. „Der Hastige ist im Zeitverlauf sich immer voraus.“ (O. W. Bollnow) Der Hastige überspringt Schwierigkeiten, er ist gerichtet auf die Zukunft, um das Gewünschte, das Ersehnte endlich zu erreichen und die Bedürfnisse endlich erfüllt zu sehen. Dabei wird die Zeit beurteilt. Es dauert zu lange, man braucht, um das Ziel zu erreichen, zu viel Zeit. Der Geduldsfaden reißt, Ärger macht sich breit und der Eilige wird eiliger, um sein Ziel zu erreichen. Woher nimmt der Ungeduldige und Hastige das Wissen und das Gefühl, dass das Zukünftige wichtiger, erfüllender und glücklicher ist als das Jetzt in der Erwartung?

Unterbricht Covid 19 den Eiligen, den Hastigen, den Ungeduldigen, da das gesellschaftliche Leben ruht und viele Berufsgruppen Kurzarbeit oder keine Arbeit haben? Für viele ist das Zeitmanagement gerade nicht mehr in so engen Rastern getaktet. Wir haben Zeit. All die gesellschaftlichen und beruflichen Anforderungen und das Dabeisein und Mitmachen stehen still. In einer solchen Situation brauchen wir Geduld. Geduld leitet sich ab von dulden, aushalten, sich gedulden. Das bedeutet, die Umstände zu akzeptieren und abzuwarten und zu hoffen. Geduld hat Hoffnung und Vertrauen auf die Zukunft und auf eine Entwicklung. Geduld ist eine Haltung, die erworben ist. Sie basiert auf dem Vertrauen, dass die eigenen Kräfte und die Kräfte der anderen tragend sind. Die Erfahrung von Wirkfähigkeit ist unabdingbar, d.h., meine Mitmenschen und meine Umwelt reagieren auf meine Zeichen und Worte, auf mein Handeln und Verhalten. Sie reagieren im Wahrnehmen und Verstehen und setzen sich auseinander.

Geduld beinhaltet, die Gesetzmäßigkeit des Werdens zu beachten. Es gibt Erfahrungswerte, wann ein Ziel erreicht werden kann. Was bedeutet Geduld im Miteinander? Ich lasse dem Anderen Zeit. Zeit beim Verstehen von Problemen, beim Erlernen von neuen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Tue ich das nicht, verfolge ich meine eigenen Ziele und möchte dem Anderen mein eigenes Tempo auferlegen. Geduld hingegen lässt Spielräume und legt das Augenmerk auf die Möglichkeit der Entwicklung. Der Ungeduldige hat keine Nachsicht, Fehler werden geahndet und es gibt keine oder wenig Hoffnung auf Besserung oder auf eine Wendung.

Wird es eine Rückkehr zum Alten geben oder werden wir mit einigen Veränderungen, die Covid 19 mit sich brachte, leben müssen? Was ist als Reaktion auf die Einschränkung der Grundrechte angebracht: Auflehnung oder Anpassung? Auflehnung um seiner selbst willen, um nicht ein geduldiges Schaf und somit dummes Schaf zu sein? Die Aufforderung der Politik lautet: Haben Sie Geduld. Für eine global wirksame Pandemie wie Covid 19 haben wir so gut wie keine Erfahrungswerte. Es gibt unterschiedliche Aussagen von Virologen und Epidemiologen und Politiker, die auf der Basis dieser unklaren Informationen Entscheidungen treffen und Beschlüsse fassen, die uns Sicherheit geben sollen. Sie sind keine tragenden Kräfte in dieser unbekannten Situation.

Geduld bedarf immer einer erneuten Anstrengung. Auch wenn diese erworbene Tugend ein passives Vorgehen beinhaltet, braucht sie doch gerade in dieser Zeit unser aktives Bemühen.

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